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Gericht: BGH 1. Zivilsenat
Datum: 1990-10-04
Az: I ZR 139/89
NK: UrhG 2 Abs 1 Nr 1, UrhG 2 Abs 2, UrhG 16, UrhG 17 Abs 2
Titelzeile
(Urheberrechtsschutzfähigkeit von Computerprogrammen, hier: Systemsoftware;
Vervielfältigungs- und Verbreitungsrecht - Betriebssystem)
Leitsatz
Betriebssystem
1. Zu den Anforderungen an die Darlegungslast des Klägers für die Urheberrechtsschutzfähigkeit
eines Computerprogramms.
Orientierungssatz
1. Umstritten ist, ob auch beim reinen Ablauf des Programms im Computer, bei der eigentlichen
Programmbenutzung, Vervielfältigungsvorgänge wie bei der Abspeicherung auf die Festplatte
oder Diskette anfallen. Die Ausgabe des Programms auf den Bildschirm scheidet von vornherein
als maßgeblicher Vervielfältigungstatbestand aus, da insoweit nur eine unkörperliche
Wiedergabe vorliegt. Die reine Benutzung (im Gegensatz zu den technischen Nutzungsrechten)
wird urheberrechtlich nicht erfaßt. Dies gilt für das Benutzen eines Computerprogramms ebenso
wie für das Lesen eines Buches. Es kommt daher auf die Frage an, ob die im Rahmen der
Programmbenutzung erfolgende Programmeingabe und -verarbeitung eine Vervielfältigung
erforderlich macht.
Fundstelle
BGHZ 112, 264-278 (LT)
Jur-PC 1991, 888-896 (LT)
ZIP 1991, 191-197 (LT)
CR 1991, 80-86 (ST)
ZAP Fach Nr 16, 45-46 (ST)
CR 1991, 150 (S)
EWiR 1991, 295 (S)
DB 1991, 587-590 (LT)
NJW 1991, 1231-1234 (LT)
Medien und Recht 1991, 40 (ST)
ZUM 1991, 246-251 (LT)
BGHR UrhG 2 Abs 1 Nr 1 Computerprogramm 1 (T)
BGHR UrhG 2 Abs 2 Darlegungslast 1 (LT)
BGHR UrhG 16 Computerprogramm 1 (T)
MDR 1991, 503-505 (LT)
RDV 1991, 135-139 (ST)
GRUR 1991, 449-453 (LT)
BB Beilage 1991, Nr 18, 2-9 (LT)
LM Nr 31 zu UrhG 2 (LT)
NJ 1991, 569 (L)
BGH-DAT Zivil
Diese Entscheidung wird zitiert von:
CR 1991, 150-151, Lehmann, Michael (Anmerkung)
Jur-PC 1991, 1059-1060, Waltl, Peter (Anmerkung)
EWiR 1991, 295-296, Junker, Abbo (Anmerkung)
ZUM 1991, 234-235, Syndicus, Bernhard (Entscheidungsbesprechung)
CR 1991, 264-268, Oppermann, Bernd H (Entscheidungsbesprechung)
GRUR 1991, 453-455, Betten, Jürgen (Anmerkung)
GRUR 1991, 455-456, Gravenreuth, Günter von (Anmerkung)
NJW 1991, 2105-2111, Haberstumpf, Helmut (Entscheidungsbesprechung)
CR 1991, 584-592, König, M Michael
GRUR 1991, 881-891, Ensthaler, Jürgen (Anmerkung)
Jur-PC 1991, 1347-1348, Marly, Jochen
RDV 1992, 53-62, Hoppmann, Hans-Dieter
Jur-PC 1992, 1567-1567, Marly, Jochen
NJW 1992, 1733-1739, Junker, Abbo
RzU BGHZ Nr 404, Schulze, Erich (Anmerkung)
EWiR 1993, 1113-1114, Hoeren, Thomas (Anmerkung)
Jur-PC 1994, 2475-2475, Herberger, Maximilian (Aufsatz)
Jur-PC 1995, 3223-3234, Kapnopoulou, Elizabeth N (Aufsatz)
Rechtszug:
vorgehend OLG Hamm 1989-04-27 4 U 196/86 GRUR 1990, 185
vorgehend LG Bielefeld 1986-04-18 20 O 412/84
Tatbestand
Die Klägerin stellt Datenverarbeitungsanlagen (Computer, Hardware) her und vertreibt diese; sie
bietet für ihre Anlagen auch die dazugehörige Systemsoftware an. Die Beklagte zu 1 - eine
GmbH, die durch den Beklagten zu 2, ihren Geschäftsführer, vertreten wird - handelt mit
gebrauchten Datenverarbeitungsanlagen der Klägerin, die sie von Dritten ankauft und
(einschließlich der Systemsoftware) weiterveräußert und auch beim Erwerber installiert. Die
Parteien streiten darüber, ob die Beklagte zu 1 die Systemsoftware der Klägerin im Rahmen der
Weiterveräußerung in unzulässiger Weise benutzt und verwertet.
Die Klägerin schließt mit ihren Kunden über Hardware und Systemsoftware jeweils gesonderte
Verträge ab (sogenanntes Unbundling); und zwar über die Hardware entweder Miet-, Leasing-
oder Kaufverträge und über die Systemsoftware davon getrennte Lizenzverträge. In den
Allgemeinen Geschäftsbedingungen (in der ab Februar 1984 geltenden Fassung) zu den
Nutzungsüberlassungsverträgen der Klägerin heißt es unter Ziff. 4 zum Nutzungsumfang:
"4.1. Der Anwender erhält das nicht übertragbare und nicht ausschließliche Recht, die von N.
überlassenen Programme nebst Programmunterlagen in Verbindung mit einem bestimmten, im
Vertrag näher bezeichneten, von N. gekauften oder gemieteten Computersystem (Zentraleinheit
nebst angeschlossenen Geräten) selbst zu nutzen ...
4.2. Alle Rechte an den Programmen - im Original oder in Kopie - bleiben bei N. ...
4.3. Das Anfertigen von Kopien oder anderen Vervielfältigungen von überlassenen Programmen
oder Unterlagen ist ausschließlich für den eigenen Gebrauch, insbesondere zu Sicherungs- und
Archivierungszwecken zulässig ... Bei Nutzungsende sind überlassene Programme nebst
Unterlagen einschließlich gefertigter Duplikate vom Anwender unaufgefordert an N.
zurückzugeben oder zu vernichten ...".
Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen Urheberrechtsverletzung und Verstoßes gegen 1
UWG auf Unterlassung, Auskunftserteilung sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht in
Anspruch. Sie hat die Ansicht vertreten, ihre Systemsoftware sei urheberrechtlich geschützt.
Durch die Weiterveräußerung der Computer nebst Systemsoftware werde ihr Verbreitungsrecht
an den Programmen verletzt. Das von den Beklagten vorgenommene Einspeichern der
Programme in den Arbeitsspeicher der Zentraleinheit stelle überdies eine unberechtigte
Vervielfältigung dar.
Außerdem griffen die Beklagten in den Fällen, in denen sie eine Speichererweiterung
vornähmen, in ihre Betriebssysteme ein.
Das Verhalten sei auch wettbewerbsrechtlich unter dem Gesichtspunkt des Leistungsschutzes
und der Ausnutzung fremden Vertragsbruchs zu beanstanden.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
I. die Beklagten zu verurteilen,
1. es zu unterlassen, ohne Zustimmung der Klägerin Systemsoftware der Klägerin gemäß
beigefügter Anlage A selbst zu nutzen, zu verwerten, zu verändern, durch Dritte verändern zu
lassen, zu vervielfältigen, anzubieten, feilzuhalten, zu verkaufen oder sonst in den Verkehr zu
bringen, sei es entgeltlich oder unentgeltlich, sei es in Verbindung mit Computersystemen der
Klägerin oder mit anderen Computersystemen,
2. der Klägerin über den Umfang der vorstehend unter Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen
Rechnung zu legen, und zwar jeweils insbesondere Auskunft über die Zahl der angebotenen oder
verkauften Systemsoftware gemäß Anlage A, das Datum des Angebots oder Verkaufs, die
Namen und Anschriften der Angebotsempfänger sowie der Käufer zu erteilen,
II. festzustellen, daß die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen
Schaden zu ersetzen, der ihr aus den vorstehend unter Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen der
Beklagten entstanden ist und künftig noch entstehend wird,
III. hilfsweise,
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen
und Rechnung zu legen, welche Systemsoftware der Klägerin (Anlage A) sie an Kunden
vermietet/lizenziert haben, und zwar unter Angabe des Datums des Vertragsabschlusses, der
Anschrift des Kunden, der Dauer der Nutzung sowie der Höhe des monatlichen/jährlichen oder
einmaligen Entgelts,
2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin einen nach Erteilung der
Auskunft gemäß Ziff. 1 zu beziffernden Betrag nebst 4% Zinsen zu zahlen.
Die Beklagten sind dem entgegengetreten. Sie haben die Urheberrechtsschutzfähigkeit der
Systemsoftware der Klägerin in Abrede gestellt und sich im übrigen darauf berufen, daß
jedenfalls das Verbreitungsrecht nach 17 Abs. 2 UrhG erschöpft sei, weil die von der Klägerin
vertriebene Zentraleinheit nebst dazugehöriger Systemsoftware ein einheitliches Ganzes
darstelle. Die Programme würden von ihnen auch ohne eigene Vervielfältigungsvorgänge
weiterveräußert. Im Rahmen der Kapazitätserweiterungen würden sie nicht in unzulässiger Weise
in das Betriebssystem der Klägerin eingreifen; denn es werde nur die Hardware geändert und
diese Änderung dem Betriebssystem lediglich mitgeteilt.
Das Landgericht hat die Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens abgewiesen. Es
hat zwar die Urheberrechtsschutzfähigkeit der Systemsoftware bejaht, ist jedoch von einer
Erschöpfung des Verbreitungsrechts ausgegangen. Die Berufung ist ohne Erfolg geblieben (OLG
Hamm GRUR 1990, 185ff). Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihre ursprünglichen
Klageanträge weiter. Die Beklagten beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat sowohl urheber- als auch wettbewerbsrechtliche Ansprüche verneint
und dazu ausgeführt: Die Urheberrechtsschutzfähigkeit der streitgegenständlichen Programme
lasse sich nicht feststellen, da es insoweit an einem substantiierten Vorbringen der Klägerin
fehle. Die Klägerin hätte im einzelnen darlegen und in körperlich wahrnehmbarer Form plastisch
machen müssen, welche Leistungen, die in den Programmbestandteilen Niederschlag gefunden
hätten, den erforderlichen Schöpfungsgrad erreichten. Ihr Vorbringen sei jedoch nur allgemein
gehalten und lasse es nicht zu, den gebotenen Gesamtvergleich der in Frage stehenden
Programme mit vorbekannten Gestaltungen vorzunehmen; es fehle an einer der konkreten
sinnlichen Wahrnehmung zugänglichen Synopse der konkreten und vorbekannten
Formgestaltungen. Dem Vorbringen der Klägerin lasse sich auch nicht entnehmen, wo Auswahl,
Sammlung, Anordnung und Einteilung der Informationen urheberrechtlich faßbaren Kategorien
entsprächen. Die Darstellung beschränke sich auf die Umschreibung von Problemanalysen, die
wiedergabetechnischen Eigenschaften der Anlage, die Schilderung von Arbeitsvorgängen,
technischen Erweiterungsmöglichkeiten u.ä.; für eigentümlich gehaltene Leistungen würden nur
kursorisch umschrieben, ohne daß erkennbar sei, ob die gewählten Strukturen technisch bedingt
seien oder auf gestalterischen Elementen beruhten. Außerdem werde im wesentlichen auf den
Inhalt der gefundenen Probleme abgestellt. Als beispielhaft für die unzureichende
Substantiierung seien die Ausführungen zu den Systemen "TACOS", "DEGAS", "NIROS"
einschließlich der Dienstprogramme "Sysmod" und "Fernbetreuung" sowie zum Kapitel
"Compiler" zu nennen. Das Kapitel "Fimas, Sorbas, Diarep" befasse sich zwar ausführlich mit
der Problemanalyse und der gefundenen Problemlösung, mache aber formgestalterische
Strukturen nicht sinnlich faßbar. Angesichts der fehlenden Substantiierung komme die Einholung
eines Sachverständigengutachtens nicht in Betracht.
Die Klage sei weiter nicht unter dem Gesichtspunkt des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen
Leistungsschutzes begründet, da das Klagevorbringen für die Annahme einer wettbewerblichen
Eigenart nicht ausreiche. Es brauche deshalb auch nicht geklärt zu werden, ob der Handel der
Beklagten mit gebrauchten Geräten der Klägerin unter Verwendung der Systemsoftware die
Ausnutzung fremden Vertragsbruchs darstelle.
II. Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
1. Streitgegenstand ist die als Anlage A zum Klageantrag aufgeführte Systemsoftware "jeweils in
sämtlichen Programmversionen" für fünf Computerbaureihen der Klägerin:
"1. für 8870/2 bis 8: OSD einschließlich Dienstprogrammen und Compiler wie DEGAS,
TACOS;
2. für 8870/1 bis 7: NIROS einschließlich Dienstprogrammen, Compiler und Programmsystemen
wie TAMOS, VIMAS, SORBAS, DIAREB, SORT, COBOL-ANS 74, Business Basic,
Structured Basic und Fernbetreuung;
3. für 8820: Systemsoftware ohne verbale Bezeichnung;
4. für 620: Release 6;
5. für 8850/: DIDOS."
Die Klägerin versteht dabei nach ihrem Klagevorbringen unter Systemsoftware
"Betriebssysteme, Übersetzungsprogramme, Programmgeneratoren, Dienstprogramme,
Testhilfen und systemnahe Software" (vgl. auch Ziff. 1 der AGB der Klägerin für die
Überlassung von Systemsoftware). Die Begriffsbestimmung in diesem Bereich ist allerdings
nicht einheitlich. So wird (u.a.) teils zwischen Betriebssystemen, Systemsteuerprogrammen und
Systemprogrammen unterschieden, wobei zum Betriebssystem auch Compiler, Dienstprogramme
u.a. gerechnet werden; teils wird von systembezogener bzw. systemnaher Software oder von
Systemsoftware als Oberbegriff für die Gesamtheit aller systembezogenen Programme
gesprochen (vgl. Lichtenberg, CuR 1986, 521f). Angesichts des Fehlens eines einheitlichen
Begriffsverständnisses und des Umstandes, daß die in Anlage A zum Klageantrag aufgeführten
Programmbezeichnungen eine nähere inhaltliche Bestimmung des Programmgegenstandes nicht
erlauben, sind die vom Berufungsgericht hinsichtlich der Bestimmtheit des Unterlassungsantrags
geäußerten Bedenken berechtigt. Die Klägerin wird im wiedereröffneten Berufungsrechtszug
Gelegenheit zu der im Blick auf die Vollstreckung gebotenen Individualisierung ihres Antrages
haben; dies kann auf dem Wege einer näheren Beschreibung der Programme oder einer
Bezugnahme auf Programmträger oder Programmausdrucke erfolgen (vgl. zum letzteren BGHZ
94, 276, 291f - Inkasso-Programm; auch Schulze, CuR 1989, 800).
2. Die streitgegenständliche Systemsoftware ist einem Urheberrechtsschutz für
Datenverarbeitungsprogramme nach 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG grundsätzlich zugänglich. Die vom
Berufungsgericht angedeuteten Bedenken, es käme möglicherweise nur ein Patentschutz in
Betracht, sind unbegründet. Zum einen würde ein solcher Schutz einem Urheberrechtsschutz
nicht zwingend entgegenstehen, zum anderen scheidet er hier aber auch aus. Nach 1 Abs. 2 Nr.
3, Abs. 3 PatG sind "Programme für Datenverarbeitungsanlagen" als solche nicht als
Erfindungen anzusehen. Damit sind alle Computerprogramme nicht technischer Natur vom
Patentschutz ausgenommen. Dies gilt allerdings nicht für Programme technischer Natur (vgl.
BGHZ 67, 22, 29 - Dispositionsprogramm; BGH, Urt. v. 13.5.1980 - X ZB 19/78, GRUR 1980,
849, 850 - Anti-Blockiersystem; Benkard/Bruchhausen, PatG, 8. Aufl. 1988, 1 Rdn. 104
m.w.N.). Betriebssysteme der vorliegenden Art, die lediglich der Steuerung eines Computers und
der mit ihm verbundenen Anschlußgeräte dienen (vgl. nachfolgend unter II. 3. b), stellen keine
technischen Programme in diesem Sinne dar (vgl. BPatG CuR 1988, 652, 654f; siehe auch
BPatG GRUR 1987, 31, 32 - Elektronisches Übersetzungsgerät). Auch in der vom
Berufungsgericht angeführten Entscheidung der technischen Beschwerdekammer des
Europäischen Patentamts (EPA GRUR Int. 1987, 173, 175 = CR 1986, 537, 539f; dazu
Benkard/Bruchhausen aaO, 1 Rdn. 104), die eine computerbezogene Erfindung zum
Gegenstand hatte, ging es nicht um den Patentschutz für ein dem Betriebssystem vergleichbares
Programm; der auf ein technisches Verfahren gerichtete Patentanspruch wurde nicht als ein auf
ein Computerprogramm als solches bezogener Schutzanspruch angesehen.
3. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin habe nicht substantiiert dargetan, daß die
streitgegenständliche Systemsoftware eine für den Urheberrechtsschutz erforderliche persönliche
geistige Schöpfung im Sinne des 2 Abs. 2 UrhG darstelle, hält der rechtlichen Nachprüfung
nicht stand. Das Berufungsgericht hat zu hohe Anforderungen an die Darlegungslast der Klägerin
gestellt.
a) Die dem Kläger im Urheberrechtsverletzungsprozeß obliegende Darlegungslast für das
Vorliegen einer persönlichen geistigen Schöpfung erfordert grundsätzlich die konkrete
Darlegung der die Urheberrechtsschutzfähigkeit begründenden Elemente (vgl. BGH, Urt. v.
10.10.1973 - I ZR 93/72, GRUR 1974, 740, 741 - Sessel). Die Frage, welche Anforderungen im
Einzelfall zu stellen sind, hängt wesentlich von der konkreten Werkart ab. So sind z.B. bei
Kunstwerken keine überhöhten Anforderungen an die Darlegungslast zu stellen. Denn bei ihnen
ist die Schwierigkeit nicht zu verkennen, ästhetisch wirkende Formen überhaupt mit den Mitteln
der Sprache auszudrücken (vgl. BGH GRUR 1974, 740, 741 - Sessel m.w.N.). Die für den
ästhetischen Eindruck wesentlichen Formmerkmale einer schöpferischen Leistung entziehen sich
oft der genauen Wiedergabe durch Worte, so daß eine erschöpfende Einzelaufgliederung der
künstlerischen Elemente in der Regel nicht erwartet werden kann (vgl. BGHZ 5, 1, 4 -
Hummelfiguren I).
Wesentlich ist bei solchen Werken der sich aufgrund der Betrachtung des Objekts ergebende
Gesamteindruck. Bei Computerprogrammen scheidet demgegenüber eine unmittelbare
Anschauung der konkreten Formgestaltung durch den Richter grundsätzlich aus. Denn sie weisen
die Besonderheit auf, daß das in einer höheren Programmiersprache (z.B. BASIC, FORTRAN,
PASCAL, C) abgefaßte Quellenprogramm nicht allgemein, sondern nur für den Fachmann
verständlich ist; das in einer dem Computer verständlichen Maschinensprache verfaßte
Objektprogramm ist in der Regel ohnehin nicht unmittelbar lesbar. Der Richter ist danach auf
eine verständliche Programmbeschreibung, aus der sich die schöpferischen Elemente ergeben,
angewiesen. Dabei ergibt sich für den darlegungspflichtigen Kläger die Schwierigkeit, die
formgestalterischen Strukturen seines Programms, dessen Beurteilung vorliegend seiner Natur
nach in gewissem Umfang sogar ein Verständnis der Technik der Hardware voraussetzt (vgl.
nachfolgend unter II. 3.b), auch für den Nichtfachmann nachvollziehbar zu umschreiben. Das
Fehlen eines unmittelbaren Anschauungsobjekts schließt es überdies nahezu aus, die
formgestalterischen Strukturen in dem vom Berufungsgericht geforderten Sinne "sinnlich faßbar"
zu machen. Auf "theoretische Umschreibungen" und "Abstraktionen" wie sie vom
Berufungsgericht beanstandet werden, kann nicht völlig verzichtet werden. Das Gericht ist
gehalten, sich das notwendige Verständnis erforderlichenfalls mit Sachverständigenhilfe zu
verschaffen.
Die Anforderungen an die Darlegungslast werden weiter dadurch bestimmt, ob der konkrete Fall
eine genaue Festlegung der schöpferischen Elemente und damit des Schutzumfangs erfordert.
Werden z.B. nur einzelne Arbeitsergebnisse der Vorstufen bzw. Teile des Programms
übernommen oder besteht bei mehreren an der Programmerstellung Beteiligten Streit über den
jeweils geleisteten Anteil, so wird es darauf ankommen, ob die konkret in Rede stehenden Teile
schöpferische Eigentümlichkeit aufweisen. Bei der identischen Übernahme eines
Computerprogramms (der 1:1-Kopie) wird eine ins einzelne gehende Herausarbeitung aller
schöpferischen Elemente entbehrlich sein, sofern überhaupt eine schöpferische Eigentümlichkeit
- an welcher Stelle des Programms oder seiner Entwicklungsstufen auch immer - festgestellt
werden kann. So liegt es auch im Streitfall, in dem es - von den durch die
Kapazitätserweiterungen bedingten Eingriffen abgesehen - um die identische Benutzung und
Verwertung der Systemsoftware der Klägerin geht.
Im einzelnen bestimmt sich der Umfang der Darlegungslast im wesentlichen nach den
allgemeinen urheberrechtlichen Grundsätzen, wobei es für den Urheberrechtsschutz von
Computerprogrammen im allgemeinen auf die Form und Art der Sammlung, Einteilung und
Anordnung des Materials ankommt (vgl. BGHZ 94, 276, 285 - Inkasso-Programm). Die Frage
der schöpferischen Eigentümlichkeit bemißt sich nach dem Gesamtvergleich gegenüber
vorbestehenden Gestaltungen. Lassen sich nach Maßgabe dieses Gesamtvergleichs schöpferische
Eigenheiten feststellen, so sind diese dem durchschnittlichen Schaffen bei der
Programmerstellung gegenüberzustellen. Eine für die Urheberrechtsschutzfähigkeit hinreichende
Gestaltungshöhe wird erst erreicht, wenn das alltägliche, durchschnittliche
Programmiererschaffen, das auf einer mehr oder weniger routinemäßigen, handwerksmäßigen,
mechanisch-technischen Aneinanderreihung und Zusammenfügung des Materials beruht,
deutlich überstiegen wird.
b) Diesen Anforderungen an die Darlegungslast genügt das Klagevorbringen. Die Klägerin hat
zum besseren Verständnis der streitgegenständlichen Systemsoftware vorab ganz allgemein
Bedeutung, Funktion und Struktur des Betriebsprogramms einer Datenverarbeitungsanlage
dargelegt. Sie hat dabei herausgestellt, daß das Betriebssystem im Gegensatz zur
Anwendersoftware nicht der Lösung eines individuellen betrieblichen Problems dient (wie z.B.
das der Senatsentscheidung BGHZ 94, 276ff zugrundeliegende Inkasso-Programm), sondern die
Funktion hat, die Steuerung des Computers und der mit ihm verbundenen Anschlußgeräte in
Verbindung mit der Anwendersoftware zu übernehmen. Betriebsprogramme übernehmen als
Bindeglied zwischen der Hardware und dem Benutzer u.a. die Steuerung der Ein- und Ausgabe
von Daten, die Speicherverwaltung, die Übersetzung der in einer höheren Programmiersprache
geschriebenen Anwenderprogramme in die Maschinensprache (Compiler), die erweiterte
Unterstützung von Einheiten der Datenfernverarbeitung, die Steuerung der simultanen Arbeit
mehrerer oder einer Vielzahl von Endbenutzern oder Dienstprogrammfunktionen (vgl. auch
BPatG GRUR 1987, 31, 32).
aa) Die Klägerin hat dargelegt, daß der geistig-schöpferische Gehalt eines Betriebsprogramms
seinen Niederschlag und Ausdruck insbesondere in der Form und Art der Sammlung, Auswahl
und Gliederung der zur Steuerung des Computers und der mit ihm verbundenen Anschlußgeräte
erforderlichen Befehle finde. Insoweit bestehe ein erheblicher Gestaltungsspielraum, der hier
keineswegs durch die vorgegebene Hardware technisch eingeengt sei. Als Beispiele für
unterschiedliche technische Gestaltungsmöglichkeiten bei den verschiedenen Systemen und den
Umfang möglicher Funktionen hat die Klägerin u.a. angeführt: stapelverarbeitungsorientierte
oder dialogorientierte Verarbeitung, Verwaltung von Plattenabschnitten im Hauptspeicher durch
Anwendung wirtschaftlicher Methoden, Prüfsummenbescheinigungen mit unterschiedlichem,
internem Zeitverhalten, individuelle Strukturen aufgrund unterschiedlicher Anordnung einzelner
Funktionen innerhalb des Programms. Die Betriebssysteme der einzelnen Hersteller würden sich
in verschiedenen Punkten wesentlich voneinander unterscheiden, je nachdem, welche
Schwerpunkte ein Hersteller bei der Entwicklung setze; ob er z.B. mehr Wert auf Schnelligkeit,
ein Arbeitsergebnis zu erzielen, oder auf Bedienungskomfort lege, ob ein Betriebssystem die
Erstellung von Anwendersoftware sowie deren Verarbeitung stärker - dann unter Umständen auf
Kosten der Geschwindigkeit - oder weniger stark unterstütze. Die Vielfalt der
Variationsmöglichkeiten zeige sich darin, daß es für zahlreiche Datenverarbeitungsanlagen
jeweils unterschiedliche Betriebssysteme mehrerer Hersteller gebe, die also auf ein und derselben
Hardware eingesetzt werden können; dies treffe auf ihre Anlagen allerdings nur ausnahmsweise
zu (z.B. auf die Anlagen der Serie 8890). Sie kommt im übrigen auch in der als Anlage 2 zum
Schriftsatz vom 2. März 1988 vorgelegten 111-seitigen Darstellung der Systemsoftware
(einschließlich der Ausarbeitung "Fernbetreuung") sowie der vorgelegten Systemliteratur zum
Ausdruck. Dort wird näher dargelegt, daß bei den einzelnen Programmen in der Auswahl,
Sammlung und Anordnung der Informationen sowie in den gewählten Aufbau- und
Einteilungsprinzipien eigenschöpferische Züge hervorträten (vgl. nachfolg. unter II. 3.b bb).
bb) Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts ist das Klagevorbringen auch nicht deshalb
unsubstantiiert, weil es "an einer der sinnlichen Wahrnehmung zugänglichen Synopse der
konkreten und vorbekannten Formgestaltungen in den hier in Frage stehenden Phasen" fehle. Das
Berufungsgericht hat auch insoweit zu hohe Anforderungen gestellt. Der zur Feststellung
schöpferischer Eigenheiten gebotene Gesamtvergleich mit dem Vorbekannten setzt voraus, daß
der Klägerin die Systemsoftware und die Arbeitsergebnisse der einzelnen Entwicklungsstufen
anderer Hersteller mit ihren jeweils üblichen Anordnungen, Systemen, Aufbau- und
Einteilungsprinzipien auch im einzelnen bekannt sind. Dazu wird aber in der Regel die Kenntnis
der Quellprogramme anderer Hersteller erforderlich sein, die gerade hinsichtlich der
Systemsoftware nicht ohne weiteres vorausgesetzt werden kann, wobei einschränkend noch
hinzutritt, daß für die Datenverarbeitungsanlagen, auf die sich die streitgegenständliche
Systemsoftware bezieht, ohnehin keine Betriebssysteme anderer Hersteller angeboten werden.
Verteidigt sich der Beklagte mit dem Einwand, die Schutzfähigkeit entfalle oder der
Schutzumfang sei eingeschränkt, weil der Urheber auf vorbekanntes Formengut zurückgegriffen
habe, so ist es grundsätzlich seine Sache, die Gestaltung des Vorbekannten darzulegen und zu
beweisen (vgl. BGH, Urt. v. 27.5.1981 - I ZR 102/79, GRUR 1981, 820, 822 - Stahlrohrstuhl II).
Die Revision weist im übrigen zu Recht darauf hin, daß die Klägerin an zahlreichen Stellen der
Ausarbeitung gemäß Anlage 2 die Neuheit bestimmter Formgebungen, also deren individuelle
Gestaltung durch sie, zum Ausdruck gebracht hat. So hat sie u.a. bei der Beschreibung des
Systems TACOS (Transaction Control System), das den gleichzeitigen Ablauf bis zu 127
Anwenderprogramme ermöglichen soll, ausgeführt, daß es sich um ein einzigartiges
Programmsystem handele, weil keiner der bis dahin bekannten Wege zur Realisierung eines
Dialogsystems beschritten worden sei; kein vergleichbares System aus dem Bereich der
Batchverarbeitung sei durch ein vergleichbares Betriebssystem in ein ähnlich
anwender-freundliches Dialogsystem verwandelt worden (S. 3); zu der mit "Druck Spooling"
bezeichneten Aufgabe heißt es, auf einem Rechner der in Rede stehenden Kategorie sei ein
solches Programmelement, mit dieser Konsequenz ausgeführt, einzigartig gewesen (S. 6); zum
"Input Recovery" wird auf den Gegensatz zu herkömmlichen Systemen hingewiesen (S. 7). Im
Kapitel "Magnetplatten, Terminals" wird dargelegt, daß durch eine grundlegende Änderung im
Betriebssystem besondere Zugriffsmöglichkeiten gegenüber vergleichbaren Systemen geschaffen
worden seien (S. 26). Im Kapitel "Betriebssystem Eigenschaften" wird die dynamische
Textverwaltung hervorgehoben, die eine absolut neue Flexibilität zulasse, was Kundenwünsche
und Kundenanforderungen anbelange (S. 28). Das Thema "Menüsteuerung TAMOS" wird mit
dem Hinweis auf die Umstellung von einer kommandoorientierten Bedienersteuerung (IRIS) zu
einer menüorientierten Benutzerführung (NIROS) eingeleitet und vorgetragen, daß das System
der Klägerin mit dieser Eigenschaft zu seiner Zeit in dieser Rechnerklasse einzigartig gewesen
sei (S. 30). Im Rahmen des Kapitels "Konfigurierung (SYSMOD)" wird dargelegt, daß die
ungewöhnliche Möglichkeit, ein Betriebssystem durch Parametrisierung neuen Hard- und
Softwaregegebenheiten anpassen zu können, zur damaligen Zeit einzigartig und einer weit
überdurchschnittlichen Programmiererleistung zu verdanken gewesen sei (S. 33). Unter "TKD
Support, Fernbetreuung" heißt es, daß bei Schaffung einer Service- und Testumgebung des
Betriebssystems NIROS insbesondere die vielfältigen Abhängigkeiten unterschiedlicher
Systemfunktionen zu berücksichtigen gewesen seien, für die es wegen der Komplexität kein
vorgegebenes Schema gegeben habe; es sei eine Fernbetreuungssoftware geschaffen worden, die
bis heute auf vergleichbaren Computersystemen anderer Hersteller nicht verfügbar sei (S. 37).
Bei der Beschreibung des COBOL-Programmsystems wird schließlich hervorgehoben, daß ein
Konzept der diagrammgesteuerten Syntaxanalyse mit Hilfe einer selbstentwickelten
Programmsprache nebst dazugehörenden Umsetzungsprogrammen geschaffen worden sei, für die
es kein Vorbild gebe (S. 50). Diese Beispiele machen deutlich, daß die Klägerin zahlreiche
schöpferische Eigenheiten gegenüber vorbekannten Formgestaltungen substantiiert aufgeführt
hat.
cc) Abweichend vom Berufungsgericht ist auch davon auszugehen, daß die Klägerin eine für die
Urheberrechtsschutzfähigkeit hinreichende Gestaltungshöhe ihrer Systemsoftware substantiiert
beansprucht hat. Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob die in BGHZ 94, 276ff aufgestellten
Anforderungen im Blick auf spätere Senatsentscheidungen niedriger anzusetzen seien. Es hat
ausgeführt, daß im Klagevorbringen nirgends deutlich werde, wo in der Auswahl, Sammlung,
Anordnung und Einteilung der Informationen schöpferische Eigenheiten liegen könnten. Die von
der Klägerin für eigentümlich gehaltenen Leistungen seien nur kursorisch umschrieben, ohne daß
sich daraus entnehmen ließe, ob die gewählten Strukturen technisch bedingt seien oder auf
gestalterischen Elementen beruhten. Über "theoretische Umschreibungen" und "Abstraktionen"
hinausgehende sinnlich wahrnehmbare Formgestaltungen seien nicht erkennbar.
Der Senat sieht keine Veranlassung - etwa im Blick auf die vom Berufungsgericht angeführten
späteren BGH-Entscheidungen -, von den Grundsätzen der Inkasso-Programm-Entscheidung
abzuweichen. In den angeführten Entscheidungen (BGH, Urt. v. 20.11.1986 - I ZR 160/84,
GRUR 1987, 360, 361 - Werbepläne; Urt. v. 2.7.1987 - I ZR 232/85, GRUR 1988, 33, 35 -
Topographische Landeskarten) ist mit Rücksicht auf die Art der in Frage stehenden Werke als
Darstellungen wissenschaftlicher und technischer Art und des für diese Werke eng begrenzten
Schutzumfangs der für die Urheberrechtsschutzfähigkeit vorausgesetzte schöpferische
Eigentümlichkeitsgrad nicht zu hoch angesetzt worden. Die Zweckbestimmung dieser - von 2
Abs. 1 Nr. 7 gleichwohl als schutzwürdig angesehenen - Darstellungen, wie Zeichnungen, Pläne,
Skizzen, läßt für eine individuelle Gestaltung wenig Raum, so daß einerseits die Anforderungen
an die Schutzfähigkeit nicht zu hoch gestellt und andererseits der Schutzumfang entsprechend
eng begrenzt werden muß. Bei Datenverarbeitungsprogrammen bestehen dagegen - wie in der
Inkasso-Programm-Entscheidung (BGHZ 94, 276, 285f) dargelegt - vielfältige Möglichkeiten
einer individuellen schöpferischen Gestaltung. Dementsprechend sind die Anforderungen bei
ihnen nicht zu niedrig anzusetzen; die Gestaltung muß jedenfalls das handwerkliche
Durchschnittskönnen erheblich überragen. Diese an der üblichen urheberrechtlichen Diktion
ausgerichtete Formulierung enthält keine gegenüber den allgemeinen urheberrechtlichen
Grundsätzen verschärften Anforderungen für Datenverarbeitungsprogramme, sondern überträgt
diese Grundsätze auf und nach Maßgabe dieser besonderen Werkart (vgl. aus der
Rechtsprechung zum Schriftwerkschutz u.a. BGH, Urt. v. 29.3.1984 - I ZR 32/82, GRUR 1984,
659, 661 - Ausschreibungsunterlagen; Urt. v. 17.4.1986 - I ZR 213/83, GRUR 1986, 739, 741 -
Anwaltsschriftsatz; Urt. v. 12.3.1987 - I ZR 71/85, GRUR 1987, 704, 706 -
Warenzeichenlexika).
Die Klägerin hat hier im einzelnen hinreichend substantiiert dargelegt und unter Beweis gestellt,
daß ihre Systemsoftware die danach erforderliche Gestaltungshöhe erreicht. Vergleichsmaßstab
für die Ermittlung der nötigen Gestaltungshöhe ist im konkreten Einzelfall das alltägliche,
durchschnittliche Schaffen bei der Programmerstellung, das auf einer mehr oder weniger
routinemäßigen, handwerksmäßigen, mechanisch-technischen Aneinanderreihung und
Zusammenfügung des Materials beruht. Dagegen wäre es verfehlt, dem Urheber der in Frage
stehenden Formgestaltung einen durchschnittlichen oder "ähnlich guten" Gestalter als
Vergleichsperson gegenüberzustellen (vgl. BGH, Urt. v. 17.4.1986 - I ZR 213/83, GRUR 1986,
739, 741 - Anwaltsschriftsatz). Die Klägerin hat substantiiert vorgetragen, daß die
streitgegenständliche Systemsoftware das durchschnittliche Schaffen auf diesem Gebiet deutlich
übersteigt und nichts mit alltäglicher Routine zu tun hat. Dies folgt zwar nicht entscheidend aus
ihrem - eher den wettbewerblichen Besitzstand dokumentierenden - Vorbringen, daß der
personelle Aufwand für die Erstellung eines einfachen Betriebssystems zwischen 100 und 200
Mannjahre betrage, daß allein das NIROS-Betriebssystem aus ca. 1,5 Mio. Programmschritten
bestehe und daß der finanzielle Entwicklungsaufwand der Betriebssysteme NIROS und TAMOS
sich auf ein Mehrfaches eines zweistelligen Millionenbetrages belaufe. Denn für die Frage der
schöpferischen Gestaltungshöhe kommt es grundsätzlich weder auf den quantitativen Umfang
noch darauf an, mit welchem Aufwand und mit welchen Kosten ein Programm konzipiert
worden ist (vgl. BGHZ 94, 276, 287 - Inkasso-Programm). Gleichwohl können diese Umstände
auch für die Schaffung einer außerordentlich komplexen Systemsoftware sprechen, die nicht auf
einer bloß mechanischen, aufgrund allgemein bekannter Anweisungen durchgeführten Tätigkeit
beruht, sondern - wie von der Klägerin im einzelnen ausgeführt -
auch erhebliche Anforderungen an die schöpferische Leistung der Programmautoren stellt.
Die Klägerin hat sich hierzu im einzelnen auf ihre Anlage 2 zum Schriftsatz vom 2. März 1988
sowie die beigefügte Systemliteratur und weiter auf das von ihr vorgelegte Privatgutachten Prof.
L. vom 13. April 1986 berufen, der ausgeführt hat, daß Betriebssysteme für mittlere und größere
Datenverarbeitungsanlagen in der Regel einen sehr hohen Grad an Individualität erreichen; die
Implementierung stelle sowohl an die Entwickler der Betriebssystem-Konzeption als auch an die
Realisierer der Konzepte erhebliche Anforderungen, die über die Möglichkeiten eines
durchschnittlichen Programmierers weit hinausgingen (S. 5). Die Klägerin hat überdies auf das
Gutachten des vom Landgericht bestellten Sachverständigen La. verwiesen, soweit darin
dargelegt wird, daß Steuerprogramme stets komplizierte Programme seien, daß
Programmierarbeiten am Betriebssystem sehr aufwendig seien, weil sie sehr gründlich geplant
und durchgeführt werden müßten, und daß die Programmierung nicht nur große Konzentration,
sondern auch schöpferische Phantasie erfordere. Letztlich hat die Klägerin auch Meinungen im
Schrifttum angeführt, die Betriebssysteme als Programme hohen Schwierigkeitsgrads beurteilen,
bei denen sich eine persönliche geistige Schöpfung in der Auswahl, Einteilung und Anordnung
der Informationen in besonders hohem Maße zeige (Kindermann, CR 1986, 446; vgl. auch v.
Gravenreuth, BB 1985, 2002, 2003).
c) Unter diesen Umständen hätte das Berufungsgericht das durch zahlreiche
Meinungsäußerungen gestützte Vorbringen der Klägerin zur Urheberrechtsschutzfähigkeit von
Systemsoftware der streitgegenständlichen Art nicht als unsubstantiiert behandeln dürfen, zumal
es vorliegend nicht auf eine genaue Festlegung der eigenschöpferischen Elemente im einzelnen
ankommt (vgl. oben II. 3.a), sondern die Feststellung ausreicht, daß die Systemsoftware
überhaupt solche Elemente aufweist.
Die Sache ist daher zur weiteren tatrichterlichen Aufklärung an das Berufungsgericht
zurückzuverweisen. Das Berufungsgericht wird das von der Klägerin beantragte
Sachverständigengutachten einzuholen haben, um zu klären, ob sich in der Sammlung, Auswahl
und Gliederung der Befehle und einer Vielzahl variierbarer Zweckmäßigkeitserwägungen
eigenschöpferische Züge zeigen. Es wird dabei vor allem auf die individuelle (formale)
Programmstrukturen abzustellen haben mit der häufigen Benutzung von Grundfunktionen für
eine Vielzahl von unterschiedlichen Anwendungsprogrammen, der Art, wie Unterprogramme,
Arbeitsroutinen, mit Verzweigungsanweisungen verknüpft werden u.ä.; dazu gehört auch die
Verwendung von Algorithmen, die zwar als solche einem Urheberrechtsschutz nicht zugänglich
sind (BGHZ 94, 276, 285 - Inkasso-Programm), wohl aber in der Art und Weise der
Implementierung und Zuordnung zueinander urheberrechtsschutzfähig sein können (vgl. OLG
Frankfurt GRUR 1985, 1049, 1050; dazu Nichtannahmebeschluß des BGH v. 26.9.1985 - I ZR
219/84). Nicht die Rechenregel, die Idee, die mathematische Formel ist hier Gegenstand des
Schutzes, sondern das "Gewebe" (vgl. E. Ulmer, Der Urheberrechtsschutz wissenschaftlicher
Werke unter besonderer Berücksichtigung der Programme elektronischer Rechenanlagen, 1967,
S. 3).
d) Die weitere Aufklärung wäre nur dann entbehrlich, wenn die Klage selbst bei bestehendem
Urheberrechtsschutz - wie vom Landgericht angenommen - unter dem Gesichtspunkt der
Erschöpfung des Verbreitungsrechts ( 17 Abs. 2 UrhG) abzuweisen wäre. Diese vom
Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - bislang offengelassene Frage läßt
sich ohne weitere tatrichterliche Feststellungen noch nicht abschließend entscheiden. Denn auch
bei unterstellter Erschöpfung würde sich diese nur auf eine Weiterverbreitung der konkreten
Systemsoftware an Dritte und nicht auf die von den Klageanträgen ebenfalls erfaßte Veränderung
und Vervielfältigung beziehen. Im übrigen könnte auch im Falle der Weiterveräußerung
geänderter Systemsoftware grundsätzlich keine Erschöpfung eintreten. Selbst wenn entgegen der
Ansicht der Klägerin die Nutzungsüberlassung als - wie für den Eintritt der Erschöpfung nach
17 Abs. 2 UrhG erforderlich - Veräußerung zu werten wäre (vgl. dazu neuerdings LG
Nürnberg-Fürth CR 1990, 118ff), wäre daher noch klärungsbedürftig, ob die Beklagten - wie die
Klägerin behauptet - urheberrechtlich relevante Veränderungen am Betriebssystem
vorgenommen haben.
Sollte es bei der weiteren Prüfung auf die Frage einer unzulässigen Vervielfältigung ankommen,
wird das Berufungsgericht zu beachten haben, daß bei der Benutzung von Computerprogrammen
rein technisch verschiedene tatsächliche Vervielfältigungsvorgänge anfallen können, die nicht
uneingeschränkt vom Vervielfältigungsrecht nach 16 UrhG erfaßt werden. Im Schrifttum
besteht weitgehende Übereinstimmung darin, daß jedenfalls in der Abspeicherung des
Programms auf einen Datenträger (Festplatte, Diskette u.ä.) und im Ausdruck des Programms in
seiner Konfiguration mittels eines Druckers eine Vervielfältigung im Sinne des 16 UrhG zu
sehen ist (vgl. Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 1987, 16 Rdn. 9 m.w.N.). Diese
Vorgänge fallen unter den Vervielfältigungsbegriff, der jede körperliche Festlegung eines
Werkes erfaßt, die geeignet ist, das Werk den menschlichen Sinnen auf irgendeine Weise
unmittelbar oder mittelbar wahrnehmbar zu machen (vgl. Amtl. Begr., BT-Drucks. IV/270 S. 47;
BGH, Urt. v. 3.7.1981 - I ZR 106/79, GRUR 1982, 102, 103 - Masterbänder; BGH, Urt. v.
1.7.1982 - I ZR 119/80, GRUR 1983, 28, 29 - Presseberichterstattung und Kunstwerkwiedergabe
II). Umstritten ist, ob auch beim reinen Ablauf des Programms im Computer, bei der eigentlichen
Programmbenutzung, Vervielfältigungsvorgänge in diesem Sinne anfallen. Dabei scheidet die
Ausgabe des Programms auf dem Bildschirm von vorneherein als maßgeblicher
Vervielfältigungstatbestand aus, da insoweit nur eine unkörperliche Wiedergabe vorliegt (vgl.
u.a. E. Ulmer, GRUR 1971, 297, 301; Katzenberger, GRUR 1973, 629, 632;
Schricker/Loewenheim aaO 16 Rdn. 9). Im übrigen ist zu beachten, daß die reine Benutzung -
im Gegensatz zu den technischen Nutzungsrechten - urheberrechtlich nicht erfaßt wird. Die
Benutzung eines Werkes als solche ist kein urheberrechtlich relevanter Vorgang. Dies gilt für das
Benutzen eines Computerprogramms ebenso wie für das Lesen eines Buches, das Anhören einer
Schallplatte, das Betrachten eines Kunstwerks oder eines Videofilms. Es wird daher auf die
Frage ankommen, ob die im Rahmen der Programmbenutzung erfolgende Programmeingabe und
-verarbeitung eine Vervielfältigung erforderlich macht.
4. Auch soweit das Berufungsgericht wettbewerbsrechtliche Ansprüche verneint hat, halten seine
Ausführungen der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Ob der Klägerin Ansprüche unter dem Gesichtspunkt des wettbewerbsrechtlichen
Leistungsschutzes zustehen, hängt im Blick auf die zu fordernde wettbewerbliche Eigenart
letztlich ebenfalls von den weiteren Feststellungen zur Urheberrechtsschutzfähigkeit ab. Das
Berufungsgericht wird allerdings zu beachten haben, daß es bereits am Nachahmungstatbestand
fehlt, sofern die Beklagten die mit der angekauften Hardware erworbene Systemsoftware
lediglich weiterveräußert haben, ohne die fremde Leistung selbständig zu übernehmen.
Die Revision rügt weiter zu Recht, daß das Berufungsgericht den Handel der Beklagten mit
gebrauchten Computern einschließlich der Systemsoftware der Klägerin nicht unter dem
Gesichtspunkt der Ausnutzung fremden Vertragsbruchs als selbständige Verletzungshandlung
geprüft hat. Auch insoweit sind weitere Feststellungen erforderlich; denn das Ausnutzen fremden
Vertragsbruchs ist nicht als solches, sondern erst bei Hinzutreten weiterer Unlauterkeitsmerkmale
wettbewerbswidrig.
III. Das Berufungsurteil war daher aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und
Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.